Hans Hartung
Die körperliche Geste und die Körpernorm
Vortrag von Dominik Eckel
Die Malerei der frühen und mittleren 1950er Jahre von Hans Hartung, für die er 1957 den Rubenspreis der Stadt Siegen verliehen bekam, wirkt so, als wäre sie aus großen Schwüngen gemalt. Die Forschungen zu Hartung aus den letzten Jahrzehnten haben immer wieder darauf verwiesen, dass diese großen Schwünge mit tiefschwarzer Farbe jedoch nur eine vom Künstler genutzte Finte sind: der Maler inszeniert eine körperliche Geste und lässt die Betrachtenden glauben, bedeutungsschwere und körperliche Aktionen haben sich in seine Gemälde eingeschrieben. In der Nachkriegszeit war Hartung mit den Herausforderungen eines nicht-normativen Körpers konfrontiert, da er ein Bein im Zweiten Weltkrieg verloren hatte. Die körperliche Geste seiner Malerei und die Realität seines Körpers stehen sich im seinen Œuvre der 1950er Jahre zunächst antithetisch gegenüber. Der Vortrag wird zwischen diesen beiden spannungsreichen Polen nachzeichnen, wie Hans Hartungs Malerei eine Körperlichkeit offenbart, die einerseits durch eine fingierte, körperliche Geste rekonstruierbar ist und sich andererseits an einer Körpernorm der gestischen Malerei der 1950er Jahre abarbeitet.
Dominik Eckel studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Germanistik in Frankfurt am Main und Montpellier und schloss 2017 mit einer Arbeit zur Fotografie von Hans Hartung ab. Nach dem Studium war er als wissenschaftliche Hilfskraft im DFK Paris tätig. Im Anschluss erhielt er ab Juni 2019 für sein Promotionsprojekt das Sonja&Reinhard Ernst Stiftung-Stipendium, das ihm von der Forschungsstelle Informelle Kunst an der Universität Bonn verliehen wurde. Sein Promotionsprojekt untersucht die körperlichen und choreografischen Aspekte der gestisch-abstrakten Nachkriegsmalerei und die Zusammenhänge der Netzwerke der gestischen Abstraktion in New York, Ōsaka, Paris, Frankfurt am Main und dem Rhein-Ruhr-Gebiet
Die Veranstaltung ist Teil einer Vortragsreihe in Kooperation mit der Kunstgeschichte an der Universität Siegen und dem Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln.