Menü>Entdecken, Filter
X
Menü>Entdecken, Filter
X
X
Menü>Newsletter

Rein. Klang. Bild
Eine performative Lesung des Bruchwerk Theaters

„Und wie halten Sie es mit der Ordnung?“ hört man über den Kopfhörer die Stimme Milan Pešls fragen. Breitwillig geben die Gäste des Theaterstücks „Rein.Klang.Bild“ Auskunft. Sie sprechen freimütig über ihre häuslichen Ordnungsvorlieben bei Büchern, CDs, im Haushalt. Sie outen sich als pedantisch oder leicht chaotisch.

Foto: Irina Mirja Fotowelt

Einige Gäste gestehen zögerlich, dass es mit der Ordnung nicht weit her sei. Dann bohrt Pešl tiefer: „Und wie fühlt sich das an, wenn es nicht klappt mit dem Ordnungsschaffen?“ „Schlecht!“ lautet das Bekenntnis. Ordnung verspricht Sicherheit — Struktur bedeutet Kontrolle und ohne sie glauben wir das alltägliche, komplexe, moderne Leben nicht meistern zu können. Vermeintlich bedeutet Ordnung eine übergeordnete Struktur der Welt. Wir schaffen uns diese Ordnung auf vielfältige Weise, aber bedeutet sie auch immer Sicherheit? Ist nicht vielmehr ein Konflikt um die jeweils erstrebenswertere Ordnung unausweichlich?

Mit ihrem neuen Stück „Rein.Klang.Bild“ gehen die Schauspieler des Siegener Bruchwerk Theaters Lisa Sophie Kusz und Milan Pešl, der auch Regie führt, diesen Fragen nach. Sie erforschen in den kleinen ganz persönlichen Akten des Ordnungsschaffens das ureigene Bedürfnis nach Sicherheit und Struktur. Als Gast im Museum für Gegenwartskunst interessiert sich das Ensemble — als dritter Akteur, zuständig für die Musik, ist Marcel Rudert – in übergeordneter Instanz für die politische und gesellschaftliche Relevanz von Ordnung. Dabei ist das Publikum direkt in ihre, wie sie es nennen, performative Geräusch- und Sprachinstallation eingebunden. Denn sie tragen ebenfalls Kopfhörer mit eingebautem Mikrofon und sind ausdrücklich zum Dialog aufgefordert.

An diesem Abend im Museum für Gegenwartskunst ist die Sehnsucht nach Ordnung bei den Besuchern groß. Während der dialogischen Performance – die Passagen der Textcollagen stammen aus Texten von Pešl, Falk Rößler und Maxim Gorkij – bewegen sich die Besucher dank ihrer Kopfhörer frei durch die labyrinthisch ineinander übergehenden Ausstellungsräume der Themenschau „Der Traum der Bibliothek“. Angeregt durch die präsentierten Kunstwerke entstehen individuelle Bezüge zwischen Klang, Text und Ausstellungsexponaten. Alle anderen Geräusche und Gespräche eines erprobten Ausstellungsbesuches treten zurück, nur Klang- und Textpassagen des Stücks begleiten die Gäste. Mitunter findet man sich selbst im Bekenntnis eines anderen Gastes wieder, während man in der Rauminstallation von Achim Bitter auf der Couch lungert.

Manche Performance, wie die kodierte Handlungsanweisung von Kusz an Pešl zur Lösung dreier Zauberwürfel — eine Umsetzung gelingt, dann regt sich Widerstand! — kann der Besucher visuell oder auch nur akustisch erfahren, abhängig von der eigenen Position in den Ausstellungsräumen. Zahlreiche auf grafischen Elementen oder Buchstaben beruhende Notationen für die optimale Lösungsstrategie existieren bereits für das 1974 erfundene Geduldsspiel. Auch hier wieder — Lösung gibt es! Ordnung muss sein!

Im weiteren Verlauf werden Klangteppiche von Marcel Rudert geschaffen, die dann wieder von Passagen aus dem Drama von Maxim Gorkij „Kinder der Sonne“ abgelöst werden. Und wieder steht im Zentrum die Frage nach der Freiheit, dem Chaos oder dem Bedürfnis nach Struktur und Ordnung und deren Verhältnis.

Schauspieler des Bruchwerk Theaters Siegen performen live in der Ausstellung „Der Traum der Bibliothek“, Foto: Irina Mirja Fotowelt

Während manch ein Besucher noch in Gedanken beim „Sortieren, Einteilen, Abgrenzen und Ordnung schaffen war, befahl eine Stimme über den Kopfhörer „… und Abgang!“, so dass der wohlverdiente Applaus Zeit verzögert, aber dafür umso kräftiger einsetzte.

Und was sagen die Schauspieler in Bezug auf den Spielort Museum? Kusz freut sich über die aufregende Erfahrung in ungewöhnlichen Räumen — abseits der Bühne — zu performen und wünscht sich mehr solch spannende Orte. Die angelaufene Kooperation mit dem Museum für Gegenwartskunst möchte Pešl ausbauen und strebt gemeinsame Entwicklungen und Überschneidungen der Sparten an. Dies ist auch ganz im Interesse des Museums, so dass wir uns alle auf weitere Performances, Workshops und neue Projekte freuen dürfen.

Autorin: Mirjam Elburn
 

ab