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Artist in Residence Siegen

Susanne Kriemann

Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg

Nach einem Jahr der Vorarbeit im Rahmen des Künstler*innenprogramms Artist in Residence Siegen stellt Susanne Kriemann ihr Ausstellungsprojekt “Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg” vor. Für die Installation der Arbeit werden alle Schaufenster des ehemaligen, jetzt leerstehenden Karstadtgebäudes in der Siegener Innenstadt aktiviert.

Susanne Kriemann, Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg, 2024, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

„Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg” zieht sich wie eine metallurgische Schwarte um das ehemalige Kaufhaus. Großformatige Drucke auf teilweise transparenten Textilien und Papieren sind in verschiedenen Schichten am Gebäude angebracht. Die Fotografien sind zu unterschiedlichen Jahreszeiten entstanden. Sie zeigen die Flora und Fauna, die sich auf der grauen Schlacke angesiedelt hat, darunter viele Moose und Flechten. Kriemanns Fotografien untersuchen das Wesen der Pflanzen und der Schlacke. Es zeigen sich Schicht für Schicht Organismen, die metallurgisch wie botanisch verwoben sind. Sie stehen für noch zu benennende Lebenswelten, die auf den unzähligen Halden, Abräumen und Müllbergen der Konsumgesellschaft hervortreten.

„Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg” bringt unterschiedliche Schichten aus der Peripherie ins Zentrum: die spärliche Pflanzenwelt, die Schlacke der Hochöfen und die Topografie des „Siegener Fujiyama“. Das Umland, die Überbleibsel einer vergangen Industrieproduktion, treffen in der Innenstadt auf die gebaute Masse einer sich ebenfalls im Umbruch begriffenen Ära der Konsumkultur. Denn mit den zurückgelassenen Materialien, Möbeln und Ausstellern im ehemaligen Karstadt-Gebäude entwickelt sich die Installation zu einem hybriden Wesen, das noch nicht genau definiert ist: Slagorg.

Mit ihren Überlagerungen und Durchblicken nimmt die Präsentation direkten Bezug auf die architektonischen Strukturen des ehemaligen Kaufhauses. Béton Brut ähnelt plötzlich aufbrechender Schlacke. Polygonale Textil-Drucke an der Fassade, in Nischen und vor den Schaufenstern verspannt, treffen auf klassische Bildformate, farbige Aufnahmen auf dünnem Papier und Projektionen im Inneren der Vitrinen. Historische Fotografien aus Siegen und vor kurzem entstandene Filmaufnahmen aus Kharkiv (Ukraine) erweitern diesen künstlerischen Dialog. Die Archivaufnahmen seltener Blumen, die der Siegener Fotograf Otto Arnold (1881-1944) Anfang der 1930er Jahre erstellte, eröffnen ein ebenso historisches wie spekulatives Landschaftspanorama. In dieser Landschaft sind die Pflanzen die Protagonisten einer rauen wie sensiblen Umgebung. In den Abendstunden (17-20 Uhr) werden die fotografischen Beiträge durch eine Licht- und Projektionsperformance des Künstlers Aleksander Komarov ergänzt, die sich gleichsam ruderalen Pflanzen brachliegender Flächen in der vom Krieg gezeichneten Stadt zuwendet.

Wie der Titel des Projekts andeutet, entwickelt die Künstlerin in der Auseinandersetzung mit diesen spezifischen Orten neue Bildsprachen und Übersetzungsformen, die ein anderes physisches Erleben fordern. „Hey Monte Schlacko, Dear Slagorg“ möchte über die steile Fußgängerzone erklommen und mehrfach umrundet werden. Kriemann möchte eine Offenheit im Denken und Sprechen erzeugen, Mehrdeutigkeiten statt gesicherter Antworten anbieten. Der Begriff Slagorg, der sich aus den Worten „Slag = Schlacke” und „org = Organismus” zusammensetzt, steht hier sinnbildlich für die Verwischung einer solchen, nicht klar definierbaren Grenze und für das Zusammenspiel von botanischen Organismen und antropozenen Eingriffen des Menschen. Konkret fragt Kriemann nach der zukünftigen Verwandlung sowie Bedeutung von Pflanzen in einer von Menschen veränderten Lebenswelt. Was bedeutet es für eine Pflanze, wenn sie auf einer Schlackenhalde wächst? Wie beeinflusst dies unser Verständnis von Natur und Mensch?

Szenografie: Leia Walz
Ko-Produktion: Lena Fließbach

Ein Projekt realisiert im Rahmen des Künstler*innenprogramms „Artist in Residence Siegen“ der Universität Siegen und des Museums für Gegenwartskunst Siegen. Universität und Museum danken der Rolf H. Brunswig Stiftung Berlin und der Sparkasse Siegen sehr herzlich für ihre Förderung des Programms in Form einer großzügigen finanziellen Unterstützung für das Residenzjahr. Mit speziellem Dank an Otto Arnold, Archiv historischer Bilder, Detlev Arnold; Eva Schmidt.