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Studiolo

Antoni Tàpies

Zweigeteilt

Studiolo

Antoni Tàpies, Dues mans, 1983, Sammlung Lambrecht-Schadeberg, © Comissió Tàpies/VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Philipp Ottendörfer

Das Zweigeteilte bildet den thematischen Ausgangspunkt für die aktuelle Studiolo-Präsentation und bringt erstmals Werke von Antoni Tàpies (1923–2012) in dieser Auswahl aus der Sammlung Lambrecht-Schadeberg zueinander.
Das Prinzip von zwei Hälften kennen wir vor allem von uns selbst. Der menschliche Körper ist entlang einer Achse symmetrisch gespiegelt. Daher besitzen wir die meisten Gliedmaßen und Organen zweimal: Augen und Ohren, Arme und Hände, Beine und Füße. Es scheint nur natürlich, dass diese innewohnende Symmetrie auch bei künstlerischen Arbeiten die Materie durchdringt.

Für Tàpies war sein eigener Körper immer die erste Instanz der Erfahrung und somit wichtig für die Bildproduktion. So sind in der Arbeit „Dues Mans“ („Zwei Hände“, 1983) auf zwei Tontafeln die Handabdrücke des Künstlers eingeprägt. Tàpies hat seine Werke mit unkonventionellen Werkzeugen und Materialien bearbeitet, und dabei auch stets seinen eigenen Körper eingebracht; es finden sich immer wieder Spuren und Abdrücke von Händen oder Füßen. Bei den Werken „Dìptic“ („Diptychon“, 1988) und „Jeroglífics“ („Hieroglyphen“, 1985) stehen jeweils zwei Bildhälften nebeneinander. In „Dìptic“ vereinen fünf weiße Stoffstreifen, die mittig wie Verbände über die Nahtstelle im Bild geklebt sind, die Hälften zu einem Ganzen. Es entsteht der Eindruck von Verletzlichkeit sowie von einem zerrissenen und wieder geflickten Bildkörper. In „Jeroglífics“ existieren beide Bildhälften zunächst jeweils für sich, nur an einigen wenigen Stellen laufen Symbole und Formen über die Fuge hinweg. Aber Tàpies lässt die Vielzahl an Zeichen meist doppelt auf jeder Seite auftauchen: Füße, Augenpaare bzw. ein Gesicht, Raster, Kreuze und X-Formen, Zahlenreihen und Gleichungen oder schließlich ein gemalter Arm sowie ein tatsächlich aufgeklebter Hemdsärmel. Es erscheint wie ein unbewusstes Abbild des eigenen Körpers, in Teile aufgelöst und doch in zwei Hälften vereint.

Das Zweigeteilte wohnt uns inne. Tàpies lässt es in seinen Werken sichtbar werden, seine Hände und Füße hinterlassen Spuren, die Zeichen von Augen und Ohren spiegeln unsere eigene Wahrnehmung wider. Das Begreifen der Welt ist im wahrsten Sinne des Wortes eine körperliche Erfahrung, was wir in Tàpies Werk nachspüren können.

Kuratiert von Ines Rüttinger

4 Werke in der Sammlung